Manchmal sagen die Worte eines anderen Menschen mehr über diese Person aus, als das, was sie meinen über die andere Person festgestellt zu haben. So ging es mir neulich, als Niklas mir erzählte, seine Ex-Frau hätte gesagt, ich hätte mein wahres Gesicht gezeigt, nachdem ich mir „sicher war, ihn zu haben“.
In so vielen Filmen wird einem eingeredet, die Ehe sei schlimm, ein Gefängnis und Männer würden nach dem Ja-Wort ihr wahres Gesicht zeigen. Auch meine Mutter trötete ins selbe Horn und erzählte mir Schauermärchen, von sich in 180 Grad drehenden Persönlichkeiten, nach der standesamtlichen Unterschrift.
Niklas und ich sind nicht verheiratet. Nachdem wir beide jeweils bereits eine Ehe versemmelt haben, lassen wir es ruhig angehen. Immerhin haben wir unsere Hörner bereits abgestoßen und müssen es nichts und niemandem mehr beweisen, wie tief unsere Beziehung ist und wie ernst wir es meinen – das wissen wir auch so.
Bevor ich auf die Sicherheit zu sprechen komme, die in meine Richtung phantasiert wird, frage ich mich grundsätzlich: Kann sich irgendwer einer Beziehung sicher sein? Wie viele Paare haben jemals zusammengefunden und wie viele sind davon längst wieder getrennt? Und wer denkt, eine Familienbande kann nichts erschüttern, der läuft Gefahr sich die Finger zu verbrennen. Denn auch die selben Gene veranlassen niemanden zueinander zu stehen. Wer kann sich also jemals eines anderen Menschen sicher sein?
Aus meiner Sicht bestehen menschliche Beziehungen aus einem gegenseitigen Geben und Nehmen. Indem ich mich an ungeschriebene und geschriebene sozial-kulturelle Regeln halte, kann ich dafür sorgen, innerhalb einer Gruppe von Menschen zugehörig zu sein. Ich kann nicht „wilde Sau“ spielen und erwarten, dass mich jeder frohen Herzens empfängt.
Niklas wollte in Erfahrung bringen, wie der erste Schultag im neuen Schuljahr seiner Töchter gelaufen sei. Und statt eine liebevolle Unterhaltung mit seinen Töchtern führen zu können, kam von eine seiner Töchter Vorwürfe über Vorwürfe, bis zu dem Moment, an dem sie einfach auflegte. Stunden später führte er ein Gespräch mit der Mutter der Kinder und bekam zu hören, dass sie bitterlich geweint hätte und ihr gesagt hätte, sie, als Mutter, hätte ihnen einen beschissenen Vater ausgesucht. Es dauerte natürlich auch nicht mehr lange bis auch ich als Allzwecksündenböckin genannt wurde, mit den Vorwürfen, dass ich mein wahres Gesicht gezeigt hätte, als ich mir seiner sicher war. Das soll zu dem Zeitpunkt gewesen sein, als Niklas und ich zusammen nach Hamburg in seine Wohnung gezogen sind. Dass ich jedoch schon vor ihm auch das Haus meiner Oma bezog und wir nach, wie vor dem Umzug 2 Rückzugsorte hatten, wurde in der gesamten Rechnung außer Acht gelassen.
Ich indes fragte mich: Was sagt dieser Gedankengang eigentlich über SIE aus? Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich mir bis heute nicht herausnehme zu sagen, ich sei mir Niklas` sicher, wenn das bedeuten würde, dass ich mir alles leisten kann und trotzdem davon ausgehe er stünde immer brav hinter mir. Wenn ich etwas aus der Beziehung zu meinem Ex-Mann gelernt habe, dann, dass ich mich nie-niemals darauf ausruhen sollte, dass er mir gestern gesagt hat, dass er mich liebt. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass er von jetzt auf gleich gehen würde, doch wie dumm wäre ich, wenn ich es mir vorsätzlich mit seinen Mädchen verscherzen würde, wo ich doch weiß, dass sie ein wichtiger Teil seines Lebens sind.
Es stimmt, dass sich mit Umzug nach Hamburg einiges an meinem Verhalten geändert hat. Nachdem ich 2 Jahre lang wirklich maßgeblich dazu beigetragen habe, dass die Kinder bei ihm eine gute Zeit verbrachten, indem ich mit ihnen bastelte, backte, Inliner fuhr, nähte, häkelte, vorlas und auf diverse Klettergerüste geklettert war und im Nachhinein immer und immer wieder zu hören bekam, dass ich doch bitte zu gehen habe und hinter meinem Rücken als Bitch, blöde Kuh und anderes beschimpft wurde, war für mich der Ofen aus. Ich entschloss mein Verhalten zu ändern, auf den Wunsch der Kinder einzugehen und mich zurückzuziehen, frei nach dem Motto: Wenn ich schon beschuldigt werde scheiße zu sein, dann wenigstens, weil ich es verdient hatte. Von 2 Zimmer auf 4 Zimmer angewachsen, bot die Hamburger Wohnung die Möglichkeit des Ausweichens und Türen schließens. Ich zog mich also zurück, war doch stehts die Forderung der Mädchen, dass sie Papa ganz für sich haben wollen. Ja, nichts leichter als das, bei 4 Zimmer. Sie hatten ihn für sich, auch wenn ich anwesend war. Und schon bekam ich vorwürfe, die Beziehung hätte sich erkaltet.
Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass ich es einer verlassenen Ex-Frau NIEMALS recht machen kann. Ich versuche es auch nicht mehr. Es ist zwecklos. Das schlimme daran ist die Instrumentalisierung der Kinder. Die stehen zwischen Baum und Borke und müssen sich (un)bewusst bei zwei Streithähnen für eine Seite entscheiden. Da sie zu 90 % der Zeit bei der Mutter sind, ist klar, für welche Seite sie abstimmen würden, müssten sie es aufschreiben. Wenn ich meinem Kind erzähle, dass vor Papa noch ein anderer Mann gewesen sei, der auch ein guter Vater gewesen wäre, verwundert es dann, wenn das selbe Kind plötzlich weinend dasitzt und sagt, dass die Mutter ihr einen schlechten Vater ausgesucht hat?
Ist es vielleicht SIE, die nach der Hochzeit mit Niklas nach zwei Jahren Beziehung anfing ihr wahres Gesicht zu zeigen, nachdem sie dachte ihn mit Trauschein, schwanger und neu gebautem Haus „sicher“ zu haben? Ich frage mich so oft, wo ich in die Gleichung passe? Ich merke immer und immer wieder, dass ich einfach eine sehr gute Projektionsfläche biete, für einen Konflikt, der eigentlich zwischen Niklas und seiner Ex-Frau aufgearbeitet werden sollte. Dann wären sowohl die Kinder als auch ich endlich aus der Schusslinie. Denn ich merke, dass all die Konflikte, die ich mit den Kindern habe, eigentlich Konflikte sind, die ich mit ihr zu haben scheine, weil ich der große Dorn bin. Ich bin da, wo sie sein wollte. Ich habe Zeit mit ihm, seine Aufmerksamkeit. Ich habe seine Zuneigung, unvergessliche Momente. Und sie ist nun allein im großen Haus. Allein mit der Gartenarbeit, allein mit dem Haushalt, allein mit der Kindererziehung, allein mit ihrem Bedürfnis nach Geborgenheit, Zärtlichkeit und Hilfe. Ich kann sie sehr gut verstehen in ihrer Wut, von der ich mir nur denken kann, dass sie sie hat, weil sie wie bei mir und vielen anderen auch zum Trauerprozess einer Trennung dazugehört. Nach 12 Jahren Beziehung darf man trauern, wütend sein und bedauern.
Könnte ich die Zeit zurück drehen, würde ich versuchen weiterhin zu lächeln und den Kindern meine Zeit zu schenken mit Aktivitäten, die ich sowieso gern mit ihnen machen möchte. Ich würde gerne weiter lächeln und genauso schauspielern, wie es die Mädchen tun oder schauspielern sie garnicht, sondern mögen mich eigentlich doch, können das nur Mutti nicht sagen? Ich würde gern all das Gehörte wieder aus meinem Kopf löschen, um unbefangen weiterleben zu können. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. In dem Fall wäre das sehr hilfreich gewesen. Warum? Die Mädchen haben sich bei Mutti immer über Papa und mich beschwert, doch wenn sie bei uns waren, waren wir harmonisch, auch wenn der Wunsch, Papa für sich alleine zu haben da war und ich ihn verstehen konnte. Um so mehr riss es mir jedes Mal den Boden unter den Füßen weg, wenn 2 Tage nach der Übergabe zurück bei Mutti Nachrichten und sogar E-Mails von ihr kamen, wie traumatisiert die Kinder seien nach dem Wochenende. Offenbar lebe ich in einem Paralleluniversum. Ich bin eher traumatisiert, wie schlecht eine Trennung begleitet und unaufgearbeitet bleiben kann.