Schwelende Konflikte

Seit über 4 Jahren bin ich nun mit Niklas zusammen. Ich liebe ihn noch immer mit loderndem Feuer und fühle mich bisweilen wie frisch verliebt am ersten Tag. Selbst die Themen mit seinen Kindern und seiner Ex-Frau halten mich nicht davon ab, das für ihn zu empfinden. Es gibt jedoch Tage, an denen diese Konflikte schwer wiegen und kleine dunkle Wolken um unsere siebte Wolke schweben lassen. 

Die Ironie dieser ganzen Konflikte ist die, dass sie nach wie vor nicht gelöst sind und erst heute wird mir das so richtig klar, auch wenn mich das nicht handlungsfähiger macht als zuvor. Nach einem Telefonat mit einer seiner Töchter, in dem es eskalierte, stellte sich in dem darauffolgenden Telefonat mit der Mutter der Kinder heraus, dass immer noch die Themen bei den Kindern aktuell sind, die schon teilweise 3 Jahre her sind. 

Wen wundert es?! 

Mich persönlich nicht, habe ich doch selbst den Eindruck immer noch in diesen Konflikten zu stecken und ich habe heute um so mehr verstanden, was uns in all unserem Zwist vereint: Wir sehnen uns nach einer Aussprache. 

Seit ich auf der Bildfläche im Leben der Kinder und der Ex-Frau existiere, kam es, wie in jeder menschlichen Verbindung zu Alltags- und Trennungskonflikten. Dass es für die Mädchen nicht supereinfach werden würde, mich an der Seite ihres Vaters zu akzeptieren war mir völlig klar und ich stellte mich darauf ein. Nichtsdestotrotz verstanden wir uns gut. Mit der Zeit wurden mir jedoch meist durch Niklas übermittelt Dinge gesagt, die mich mitnahmen – verletzten (Details werde ich wohldosiert mit der Zeit zu geschriebenem Wort verarbeiten). Auch ich habe eine emotionale Bindung zu den Kindern aufgebaut – habe Zeit, Gedanken und Emotionen in den Aufbau einer Beziehung zu den beiden investiert. 

Schließlich kam es zu etwas, das ich grundsätzlich begrüßte: Es wurde ein Familienrat einberufen. 

Der Haken an diesem Familienrat: Ich wurde aus der gesamten Rechnung ausgeklammert. Bereits vom ersten Tag an, wie ich erfuhr, dass Niklas zu einer Familiensitzung zitiert wurde und ich nicht, machte mir zu schaffen. Mir war sofort klar: Das kann nicht gut sein, wenn auch ich thematisiert werde, aber selbst garnicht zugegen bin. Welcher Konflikt wurde je auf diese Weise beigelegt?

Die erste Sitzung ist nun schätzungsweise 3 Jahre her und ich war bei keiner einzigen dabei. Das – für mich – perfide daran war, dass die 4 alles untereinander abgekaspert haben und danach in meiner Gegenwart heile Welt gespielt wurde. Ich jedoch steckte selbst noch in dem/den Konflikt/en. Für mich war absolut nichts geklärt, musste jedoch weiterhin lächeln und so tun, als wäre es für mich in Ordnung ausgeklammert zu werden. Ich bekomme nur durch Hörensagen von Niklas ein Resümee des Geschehenen. 

Nun sind wir über 4 Jahre zusammen und die ungelösten Konflikte, von denen ich dachte, dass nur ich sie nicht loslassen und in die ich mich leider immer wieder reinsteigern kann, würden nur mich betreffen. Jetzt merke ich, dass die – verzeiht an der Stelle meine bittere Ironie, und mir ist der Unterton den ich transportiere sehr wohl bewusste – „tolle Idee“ der Familienaussprache, die seine Ex-Frau hatte, nur halb so gut war, wie sie dachte. Denn weder den Kindern, noch Niklas, noch mir haben sie etwas gebracht – es ist eigentlich mit der Zeit nur schlimmer geworden. Wie hätte es auch anders sein können?! Mit Wut, Frust und Hilflosigkeit im Bauch, ist eben auch jede Begegnung am Ende ein Hürdenlauf. 

In dem Buch „Monopolygam“ von Georg Klaar ist vom „kleinen Ärger“ die Rede. Ich kann die Theorie um diesen kleinen Ärger als absolute Wahrheit unterschreiben. Zwist der nicht angesprochen und kein bisschen gelöst ist, führt dazu, dass sich das Fass immer mehr füllt und es am Ende schon bei absoluten Kleinigkeiten nicht nur überläuft, sondern sogar explodieren kann. Mir geht es jedenfalls so und bisweilen schäme ich mich auch dafür. Mein Fass mit den Kindern bzw. der Ex-Frau ist schon so überstrapaziert und gefühlte 8 Mal explodiert, dass ich richtig merke, wie Kleinigkeiten mich innerlich zur Weißglut bringen. Es reicht eine Geste und schon habe ich die Schnauze von den Kindern in meiner Gegenwart gestrichen voll. Und warum?! Weil die Konflikte ungelöst ganz tief in mir schlummern und mit passiver Aggressivität zumindest ein bisschen das Licht der Welt erblicken wollen.

Das sind die Momente, in denen ich mich schäme. Ich merke, wie eine Kleinigkeit ein willkommener Anlass zum Explodieren wird. Dann versuche ich mich zu zügeln. Ich fühle mich klein und kindisch. Ich merke, wie meine Selbstbeherrschung über mich lacht und mir zeigt, an welchen Stellen ich noch lernen kann mutiger Dinge einzufordern, von denen ich überzeugt bin. 

Ist der Zug schon abgefahren? 

Leider fühlt es sich für mich so an. Gleichzeitig fühle ich mich feige. Denke, dass ich selbst die Initiative ergreifen sollte, so eine Familiensitzung einzuberufen. Davor habe ich Angst – sehe ich doch, wie die Kinder ganz klar gegen Papa argumentieren und das mit einer Überzeugung, dass ich mich frage, woher sie diese Ansichten haben und so vehement vertreten.

Nach den ersten 2 Jahren vollen Einsatzes und Hingabe, die hinterm Rücken herabgewürdigt wurden, hatte ich mich dazu entschlossen den Kindern aus dem Weg zu gehen. Sie selbst forderten eindringlich jedes Mal, ich solle doch bitte nicht da sein, gleichzeitig wollten sie mit mir basteln und derlei Dinge. Nachdem ich mich ein Jahr lang zurückgezogen hatte, hieß es dann schließlich „Die Beziehung zwischen uns hätte sich erkaltet.“ Jahaaa, na sicher hat sie das. Wie sollte es auch anders sein?! Von mir wird Abwesenheit mit gleichzeitiger Anwesenheit verlangt. Auch wenn meine Leidenschaft für das Tanzen sehr groß ist, so habe ich es doch in all meiner Lebenszeit noch nicht gelernt auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Diese Ambivalenz der Kinder und auch der Ex-Frau zeigt mir, dass dort sehr viele ungelöste Konflikte schwellen und aufseiten der Kinder noch eine gehörige Portion Loyalitätskonflikte als Sahnehäubchen oben drauf. 

Und mir blutet dabei die Seele, denn ich hänge an den Momenten, in denen scheinbar alles in Ordnung war. Oft vermisse ich die Mädchen und stelle mir vor, was wir alles zusammen machen könnten. Ich fühle mich gelähmt – macht- und hilflos an der jetzigen Situation etwas ändern zu können. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich einiges anders machen. Das Leben kann ich leider nur rückwärts und nicht vorwärts verstehen, deshalb muss ich es so nehmen, wie es jetzt ist. Eine Zwickmühle. Wie ich aus der wieder heraus komme, weiß ich allerdings NOCH nicht. 

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