Von Männern und Design

Dank eines Lesetipps der durch die bezaubernde Künstlerin Rebekka Macht ausgesprochen wurde, kam ich zu dem Buch: Das Patriarchat der Dinge von Rebekka Endler. Das Buch, das darlegt, wie unsere Umwelt von Männern und für Männer gestaltet wird, reiht sich ganz hervorragend in meine Buchreihe ein, die sich um Frauen und deren Rolle drehen. Sie zeigt Probleme auf, von denen ich garnicht wusste, dass dort einseitig gedacht wird und nennt Erfinder:innen und Aktivist:innen, die sich dieses Problems angenommen haben.

Gleich zu Beginn greift die Autorin eine Aussage Sokrates’ auf, die meine Auffassung teilt: Wer in der Sprache nicht vorkommt, tut dies auch nicht im Bewusstsein. Die aktuellen Diskussionen über Gendern oder nicht Gendern im täglichen Sprachgebrauch polarisieren sehr stark. Ich selbst finde es zwar manchmal umständlich, meist jedoch leicht umsetzbar und dachte mir stehts genau dasselbe, was schon Sokrates zum Ausdruck brachte. Als gelernte Feng Shui Beraterin weiß ich, dass alles auf uns wirkt. Nicht nur Farben, Formen und Licht in der Raumgestaltung haben eine Wirkung sondern auch Bilder, Metaphern und Sprache ganz besonders. Um so wichtiger erscheint es mir, zumindest im deutschen (für andere Sprachen kann ich nicht sprechen) macht eine Formulierung der weiblichen und männlichen Ansprache Sinn. Durch die starke Präsenz der LGBTQIA+ habe ich mich jüngst sogar gefragt, ob es nicht noch einer 3. „freien“ Bezeichnung bedarf. Entweder, um wirklich alle Menschen neben männlichen und weiblichen anzusprechen oder sogar um diese Formulierung zu nutzen, um heutige Standards zu ersetzen. Das käme dadurch wieder einer Vereinfachung nahe und würde am Ende geschlechtsneutral und ethnienneutral alle Menschen ansprechen. Ich bin mir allerdings sicher, das eine solche sprachliche Überarbeitung immense Arbeit und vor allem Gegenwind nach sich ziehen würde. Lohnenswert? Ich denke ja, immerhin glaube ich – unabhängig von Sokrates – das Sprache sehr, sehr mächtig ist und Berge oder eben Geschlechter versetzen kann. 

In der Mitte des Buches musste ich sehr schmunzeln, nicht nur, dass sie Gilmore Girls liebte, eine Serie, die auch mich begleitete, sondern ihre Vorurteile Selfiesticknutzer:innen gegenüber ließen mich mich selbst ertappen. Die inneren Monologe und Vorbehalte, die sie beschriebt sind mir nur allzu bekannt, sodass sich in mir nicht nur Begeisterung für den Inhalt des Buches regte, sondern auch Sympathie und Verbundenheit. Dadurch, dass sie mich an ihren eigenen Gedanken teilhaben lässt, lässt sie als Autorin Nähe zu, da sie sich verletzlich zeigt.

Gegen Ende das Buches geht sie auch noch einmal auf die Diversität der Geschlechter ein, die in Europa sehr stark binär verankert und vorgeschrieben sind und berichtet vom Indonesiern der Vorkolonaialiserung, in der 5 Geschlechter unter der Ethnie der Bubis anerkannt waren. Leider führt sie mir dieses Beispiel nicht genau genug aus, sodas ich selbst zu recherchieren begann:

Mein erstes Ergebnis auf Wikipedia ergab folgendes: „Die Bugikultur kennt auch fünf verschiedene soziale Geschlechter. Diese fünf Geschlechter gelten als notwendig, um die Welt in Gleichgewicht und Harmonie zu halten. Dazu gehören Makkunrai (feminine Frau), Calabai (weiblicher Mann), Calalai (männliche Frau), Oroané (maskuliner Mann), und Bissu (letzteres verkörpert sowohl männliche als auch weibliche Energien (Hermaphrodit), verehrt als Schamane). Makkunrai und Oroané entsprechen dabei heterosexuellen Frauen und Männern, die sich jeweils ihren traditionellen Frauen- und Männerrollen gemäß verhalten. Calabai hingegen sind biologische Männer, die sich in Kleidung und Verhalten wie heterosexuelle Frauen benehmen, ohne jedoch körperliche Veränderungen an sich vornehmen zu lassen. Calalai sind biologische Frauen, die sich in Kleidung und Verhalten wie heterosexuelle Männer benehmen, ebenfalls ohne körperliche Veränderungen an sich vornehmen zu lassen. Alle Geschlechter werden als gegeben und natürlich betrachtet.“

Da habe ich wieder etwas gelernt und feststellen müssen, dass unsere kulturelle Prägung nicht die Krönung allen Lebens ist, sonder dass ich als Teil meines Kulturraumes eingebunden bin in ein Verständnis der Welt, wie sie nicht in jeder Kultur begriffen wird. So wie ich denke, dass die Welt funktioniert, muss es ein Mensch aus beispielsweise Indonesien nicht auch sehen. Dies ist eine erneute Anregung für mich gewesen offen zu sein, für andere Weltanschauungen. 

Insgesamt empfand ich das Buch sehr gut recherchiert. Dadurch dass sie beschreibt, dass sie mit Vertreter:innen aus den in jedem Kapitel beschrieben Bereichen gesprochen hat und sie auch Zitiert, macht es die einzelnen Themen um so greifbarer für mich. Es erhält eine Tiefe, die mich sehr gefesselt und an manchen Stellen auch fassungslos gemacht hat. Sehr gut fand ich Endlers Schlusswort, das darauf verweis, dass das Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, da die Liste an Beispielen für einseitig gedachtes Design und Umstände zahllos erweitern lassen. 

Was mir beim lesen der moderner feministischer Bücher und auch dieses Buches im speziellen auffällt, ist die Verbundenheit. Auch Endler widmet ihr letztes Kapitel die Betrachtung der Welt aus den Augen von behinderten Menschen, BiPoc, Schwarzen und queeren Menschen. Ich merke immer wieder, dass ich diese Betrachtung selbst bis vor kurzem nicht hatte und bin dankbar für das Wachrütteln. Ich sehe es als einen weiteren Punkt, den ich mir selbst zum Thema der gewaltfreien Kommunikation hinzudichte, dass ich die Wahrnehmung möglichst vieler verschiedener Standpunkte betrachte, egal wo ich herkomme, aussehe und lebe und sie für meine Empathie nutze. Ich gewinne dadurch den Eindruck, dass Wir als Menschheit näher zusammenrücken, gerade weil wir uns immer bewusster werden und einander sehen. Das ist es auch, was mich an dem Film Avatar so sehr fasziniert. Der Ausspruch der Navi „Ich sehe Dich“ geht für mich weit über das Sinnesorgan hinaus und ist genau das, was unser miteinander weiter vorantreiben wird. Ich wünsche mir und hoffe, dass noch mehr Menschen das Wort ergreifen und ihre Perspektiven darlegen, vor allem, wenn sie einer vermeintlichen „Minderheit“ angehören, die wahrscheinlich garkein ist, sondern einfach totgeschwiegen wurde über all die Jahrhunderte.

Ich bin sehr dankbar für diesen Lesetipp von Rebekka Macht, denn dieses Buch hat mein Weltbild und Wissen wieder ein Stück erweitert. Ich kann nun bestimmte Themen klarer umreißen und schneller Zusammenhänge herstellen. Ein Buch, dass jede:r gelesen haben sollte, der/die wissen möchte, warum manche Dinge so sind wie sie sind. Endler geht in ihrem Werk nämlich nicht nur darauf ein, dass manche Dinge schlichtweg einseitig designt worden sind, sondern setzt sie auch in einen humorvollen und leichtfüßigen historischen Kontext. Auf diese Weise wurde mir persönlich einiges klarer und ich konnte die hochkommende Wut, die mich beim Lesen bisweilen erfasste, in neue und bessere Bahnen leiten. Die kulturhistorische Einordnung fand ich sehr bemerkenswert, da sie die gewachsenen Strukturen gut erklärt. Nicht umsonst heißt es: Wer wissen möchte, was die Zukunft bringt, sollte in die Vergangenheit schauen.

Damit habe ich mein 15. Buch dieses Jahr gelesen und werde als nächstes meine Zeit in ein Hörbuch investieren, das ich in gedruckter Form bereits 5 Mal in der Hand hatte: „Beklaute Frauen“ von Leonie Schöler. 

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