Sehr früh wusste ich: Ich möchte keine eigenen Kinder. Das hat viele verschiedene Gründe, auf die ich zu einem anderen Zeitpunkt eingehen werde. Mir schwirrt seit Wochen eine innere Unruhe durch die Glieder, denn ich weiß nicht, wie ich die gegenwärtige Situation finden soll.
Als ich gut und gern das Alter hatte, selbst Kinder zu bekommen lehnte ich es strickt ab und redete mir Kinder sogar als lästig ein. Nachdem meine erste Ehe kaputt ging und ich wieder von vorn begann, hatte sich meine Einstellung zu Kindern so weit verändert, dass ich deren Gegenwart sehr schätze und sogar genoss, jedoch immer mit dem Wissen im Hinterkopf, dass es nicht meine Kinder waren und sie zum Zeitpunkt x wieder zu ihren Eltern zurückkehren würden. Ich hatte nicht die blöden Aufgaben zu erledigen wie Diskussionen über Müll rausbringen, Tisch decken und wieder abräumen, Abwaschen, Saugen, Hausaufgaben machen. Ich hatte die coolen Momente: gemeinsames Backen, Basteln, auf den Spielplatz gehen, Häkeln.
Ich begann also mir zu wünschen, dass mein zukünftiger Mann bereits Kinder hat, an denen ich partizipieren könnte. Und schließlich war es auch so, dass ich mich in meinen Nachbarn verliebte, der Zwillingsmädchen „mitbrachte“. Ich freute mich und die ersten 2 Jahre vergingen eigentlich sehr harmonisch, doch es schlichen sich immer wieder harte Vorwürfe, Beleidigungen und Beschimpfungen ein, sodass ich mich irgendwann fragte, wozu ich mich eigentlich so viel bemühte. Ich hinterfragte mein Engagement das ich mit Beschäftigungen wie Handarbeiten, Basteln und Backen miteinbrachte. Ich zog mich total zurück und das Verhältnis wurde schlechter und schlechter.
Schließlich ist es nun so weit, dass ich die Mädchen dieses Jahr nur 2 Mal gesehen habe und mein Freund und Vater der Mädchen hat sie 7 Mal gesehen. Es ist November. Und es arbeitet und rattert in mir. Ich suche dauernd die Schuld bei mir, doch wie könnte ich alleinige Schuld an all dem haben?!
Wenn ich an die Anfänge denke, dann vermisse ich unser Zusammenleben. Ich vermisse es, mir neue Projekte auszudenken die ich mit den Mädchen machen könnte. Ich vermisse die gemeinsamen Filmabende.
Und gleichzeitig merke ich, dass es das entspannteste Jahr ist, dass Niklas und ich haben, seit wir zusammen sind und ich frage mich, ob es daran liegt, dass wir die Mädchen nicht hatten? Es gab so oft so viel Streit, wenn sie da waren. Und wenn es keinen gab, dann gab es ihn spätestens, wenn sie wieder bei der Mutter waren. Plötzlich kamen lange E-Mails von ihr, was alles so richtig scheiße gelaufen ist an dem gemeinsamen Wochenende – dabei fragten wir die Mädchen zum Abschied nach Feedback und alles war in Ordnung gewesen, bei der Mutter dann jedoch plötzlich nicht mehr. Nervenaufreibend.
Mir wird klar, dass ich mich in eine Vorstellung verliebt habe. Der Vorstellung von einem harmonischen patchlove-Leben. Und das es so wie zu Beginn nie wieder werden wird – letztendlich war es damals Burgfrieden und schon damals wurden die Samen für den heutigen Zustand gesät. Mir wird klar, dass ich die Vorstellung liebe, den Kindern etwas „mitgeben“ zu können. Ich frage mich, ob es egozentrisch ist, zu glauben den Kindern „etwas mitgeben“ zu können. Habe ich überhaupt das Recht dazu? Ist es anmaßend? Gleichzeitig können auch Lehrer, Großeltern, Freunde und völlig fremde Menschen für andere Menschen bedeutende Dinge machen, die ein Leben lang im Gedächtnis bleiben – Warum sollte dann ich als Stiefmutter nicht auch eine prägende Rolle einnehmen?
Mir schmerzt die Brust, wenn ich bedenke, dass Niklas, als Vater, so abgestoßen wird, wobei ich ihn als Vaterfigur so bewundernswert finde. In mir ist ein letzter Hoffnungsschimmer der glimmt, wenn ich mich an der Vorstellung festklammere, dass die Kinder den Weg zu ihrem Vater zurückfinden, sobald sie ihrer eigenen Wege gehen werden. Raus von zu Hause. Weg von der Familie und hinaus in die Welt zu neuen Freunden, die mit anderen Sichtweisen Mauern einreißen werden, die die Sicht auf Vergangenes klarer werden lassen. Und dann weiß ich, wird Niklas da sein, wenn sie kommen. Er wird für seine Mädchen da sein. Und ich bin mir sehr sicher, dass sie froh und dankbar sein werden, ihn als Vater zu haben.